Übernachtungsmöglichkeit bei den Freunden, umsteigen auf Bus und Bahn, mit dem Taxi vor die Haustür oder doch lieber mit dem eigenen Auto fahren? Gerade in der fünften Jahreszeit stellt sich zwischen Konfetti, Feiern und Helau zu später Stunde immer wieder dieselbe Frage: Wie kommt die Partygesellschaft nach Hause?
Mit dem Problem „Alkohol am Steuer“ setzt sich nun auch das Wiesbadener Jugendparlament auseinander. „Das Thema geht uns alle an“, sagt Silas Gottwald, seit einem Jahr Vorsitzender des Jugendparlaments. Die Zahlen sprechen für sich: Im Jahr 2015 registrierte die Polizei auf Hessens Straßen insgesamt 135 625 Unfälle. 2985 Unfälle passierten unter Alkoholeinfluss, davon allein 519 hier in Westhessen. Dabei starben 25 Menschen, 356 Menschen wurden schwer verletzt, fast 1000 Unfallopfer erlitten leichte Verletzungen – und das eben nicht nur an Fastnacht, sondern das ganze Jahr über.
Verantwortung übernehmen und nüchtern bleiben
Bei ihren Überlegungen sind die engagierten Jugendlichen auf die Aktion Bob gestoßen, eine Aktion gegen Alkohol im Straßenverkehr. Bob ist die Person in der Gruppe, die nach Absprache keinen Alkohol trinkt und seine Mitfahrer sicher nach Hause bringt. Dafür bekommt Bob in den teilnehmenden Gaststätten, Kneipen und Diskotheken ein alkoholfreies Getränk gratis. Der- oder diejenige muss nur den gelben Bob-Schlüsselanhänger vorzeigen.
Das Präventionsprojekt stammt aus Belgien und ist dort seit über 20 Jahren ein voller Erfolg: Etwa 96 Prozent der Bevölkerung kennt Bob und über 50 Prozent sind bereits einmal Bob gewesen. Auch in Deutschland ist die Aktion bereits erfolgreich, beispielsweise seit 2007 in Gießen: „Die Unfälle, die durch junge Fahrer unter Alkoholeinfluss verursacht wurden, sind um 60 Prozent zurückgegangen“, berichtet Silas Gottwald. Im Rahmen der Recherche hatte das Jugendparlament unter anderem Kontakt mit der Gießener Polizei aufgenommen. „Die Zahl hat mich selbst überrascht.“
Jetzt will das Jugendparlament die Präventionsmaßnahme gegen Alkohol am Steuer auch in Wiesbaden umsetzen – und stößt dabei auf ungeahnte Schwierigkeiten. So habe sich die Stadt vorerst von dem Projekt zurückgezogen, da man in den Dezernaten die Zuständigkeit nicht klären könne, schildert Gottwald die Korrespondenz. Vonseiten der Polizei hoffe man immer noch auf eine positive Rückmeldung. Diese Rückmeldung soll jetzt zeitnah erfolgen, versichert Petra Lezius. „Der Antrag liegt dem Polizeipräsidenten vor“, so die Stabsstellenleiterin Prävention im Polizeipräsidium Westhessen. Grundsätzlich sei man der Initiative des Jugendparlaments gegenüber positiv eingestellt. Lezius betont aber auch, dass es in Wiesbaden bereits zahlreiche Präventionskonzepte gebe.
So zum Beispiel die sogenannte Gelbe Karte für Jugendliche und junge Erwachsene, die durch Aggressionsdelikte, durch Alkoholmissbrauch oder Drogenkonsum auffällig geworden sind. Im Wiederholungsfall gibt es keine Fahrerlaubnis oder der Führerschein wird eingezogen. Mit der Verkehrspräventionswoche geht die Polizei an die Schulen und konfrontiert die Fahranfänger unter anderem mit Promille-Brille und Fahrsimulator. „Diese Projekte sind sehr effektiv, weil sie die Schüler direkt ansprechen“, erklärt Lezius.
„Das Problem Alkohol am Steuer betrifft aber nicht nur Jugendliche aus Wiesbaden“, gibt Silas Gottwald zu bedenken. Denn diejenigen, die aus den umliegenden Kreisen zum Feiern nach Wiesbaden anreisen, kommen nachts nicht ohne Auto nach Hause. Deshalb wolle man jetzt an die Fraktionen im Rathaus herantreten und um Unterstützung werben.
Der Artikel stammt aus dem Wiesbadener Kurier am 07.02.2017 von Lisa Bolz